Nürnberger Lehrerzeitung

ZEIT, HALTUNG ZU ZEIGEN! Gedanken zum Schuljahresabschluss

Wir stehen wieder einmal am Ende eines Schuljahres. Für uns Lehrkräfte ist dies immer ein großer Schnitt: Schülerinnen und Schüler wechseln, emotionale Abschiede von Schülern und Kollegen, das Hinarbeiten auf den Urlaub, endlich auftanken.

Bitter nötig, denn die schulische Realität sieht in vielen Bereichen so aus: Viele Kollegen gehen früher in Pension, Rücktritte aus Funktionsämtern häufen sich, Teilzeitanträge werden immer öfter mit dem Grund „anders schaffe ich es nicht mehr“ begründet.

Ständig zunehmende Belastungsfaktoren auch durch Inklusion, Integration und die enorm gestiegenen Anforderungen im Bereich unserer Schulen bezüglich der Absprache mit Mobilen Diensten, Beratungsstellen, Jugendamt, Familienhilfe, Schulbegleiter, Förderzentren, Berufseinstiegsbegleitern, Schulpsychologen, Vertretungen bringen so manchen Kollegen an den Rand seiner Kräfte.

Zeit für Bildung ist wichtiger denn je. Die Kampagne des BLLV bringt es auf den Punkt. Bildung ist etwas Individuelles.

Individuelle Förderung - dieser pädagogische Anspruch hat in Bayern Verfassungsrang. Umgesetzt wird er nur ungenügend. Personal, Zeit, Räumlichkeiten - an allem mangelt es. Die Vielfalt der Kinder und Jugendlichen aber ist enorm gewachsen.

Jedes einzelne hat das Recht auf Bildung. Jedes einzelne muss in seiner Individualität wahrgenommen werden. In seiner Kampagne „Zeit für Bildung“ macht der BLLV sie sichtbar: Kinder wie den traurigen Sebastian, die hyperaktive Ulla, den Querdenker Jannis ... - elf typischen Bedarfen gibt die Kampagne Gesicht und Name.

Wir brauchen Zeit für diese Kinder, für nachhaltige Bildungsprozesse, denn in einer hek- tischen und beschleunigten Schule können wir der Vielfalt nicht Rechnung tragen. Wir brauchen Zeit für Ganztagsschule, Inklusion, die Betreuung von Flüchtlingskindern, neue Lern- und Leistungsbegriffe.

Wir brauchen Zeit für pädagogische Werte. Werte, wie: Ganzheitlichkeit, Chancengleichheit, Gleiche Startchancen für alle Kinder, Integration und Gemeinschaft, Bildungsgerechtigkeit statt Burnout, Bildungsqualität anstatt Turboschule und Ranking.

Dies erfordert auch Vertrauen in die Lehrkräfte und Schulleitungen, kein stetes Optimieren oder permanentes Selbstoptimieren („Gib dir noch ein bisschen mehr Mühe, dann klappt das schon!“) wie oft Glauben gemacht wird, alles irgendwie zu schaffen.

In Zeiten zunehmenden Personalmangels und steigender Anforderungen wird es immer bedeutender, alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen. Beispiel Drittmittel. Drittmittel zu nutzen wird immer wichtiger. Wir fordern hier dringend eine flexiblere Handhabung für die Einsatzmöglichkeiten durch die Schulen. Grundsätzlich ist ein Abbau bürokratischer Themen an Schulen ein Bereich, der viele Ressourcen sparen würde. Schulen brauchen die Mittel dazu, individuelle Lösungen vor Ort entwickeln zu können.

Wir haben tagtäglich in unseren Schulen unsere Zukunft vor Augen. Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen und können unseren Schülern und Schülern alles geben, was sie brauchen, um zu Persönlichkeiten zu reifen. Doch dazu brauchen wir gesunde, starke Lehrerinnen und Lehrer mit ausreichend Zeit für Bildung, mit Anpassungen an all die gesellschaftlichen Veränderungen und deutlich spürbaren Entlastungen.

Hoffnungen geben die neuesten Maßnahmen des Kultusministeriums: Aussetzung der Evaluation, Deutschklassen - diese können gut sein, diese müssen aber so ausgestattet sein, dass man die darin liegenden Chancen auch wirklich nutzen kann. Niemand ist gehol- fen, wenn wir Gräben vertiefen oder durch bürokratische Hür- den den Mut zur individuellen Umsetzung konterkarieren. Alle Schüler benötigen ausreichende Zuwendung, Förderung und Forderungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir zeigen Haltung, wir arbeiten an Lösungen. SIE engagieren sich als Mitglied in Ihrem bald 200 Jahre alten Lehrerverband, SIE werden wählen im Oktober. Lehrerinnen und Lehrer zeigen Hal- tung im Sinne des BLLV Manifestes.

Gerade in unserer Stadt Nürnberg dürfen wir nicht zulassen, dass wieder Gedankengut durch die Straßen unserer Stadt zieht, welches unseren freiheitlichen und demokratischen Grundwerten nicht entspricht. Auch in diesem Sinne sind wir stark an Ihrer Seite.

Es ist Zeit Haltung zu zeigen! 

Bleiben Sie gesund, gönnen Sie sich Zeit zum Erholen! Bis zum Wiedersehen alles Gute

Ihre

Sandra Schäfer, 1. Vorsitzende