Es ist unzulässig, die durch das Arbeitszeitkonto geschaffenen Lehrerstellen von den Grundschulen an die Mittelschulen zu verschieben. Deshalb unterstützt der BLLV eine Grundschullehrerin bei ihrem gerichtlichen Vorgehen gegen den Freistaat Bayern.
„Es kann nicht sein, die gravierenden Personalprobleme an Mittel- und Förderschulen auf dem Rücken der Grundschullehrkräfte lösen zu wollen“, kritisiert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Das verpflichtende Arbeitszeitkonto für Grundschullehrerinnen und -lehrer schaffe einen Überhang an Lehrkräften an Grundschulen, um sie dann als Manövriermasse an Mittel- und Förderschulen zu verschieben. “Hinzu kommt, dass es diejenigen trifft, die ohnehin die höchste Unterrichtsverpflichtung und damit die größte Arbeitsbelastung haben“, so Fleischmann. Der Verband protestiert seit einem Jahr gegen diese „falsche Maßnahme an der falschen Stelle“. Da sich seither nichts getan hat, unterstützt er nun eine Grundschullehrerin, die heute beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag, also ein Verfahren auf Nichtigerklärung der Verordnung zur erneuten Einführung des verpflichtenden Arbeitszeitkontos für Lehrkräfte (AZKoV) gegen den Freistaat Bayern eingereicht hat.
BLLV-Vizepräsident Gerd Nitschke erläutert auf der heutigen Pressekonferenz den Hintergrund: „Ein Arbeitszeitkonto nur für Grundschullehrkräfte als Lückenbüßer für die anderen Schularten geht gar nicht! Die Bedarfszahlen an Grundschullehrkräften wurden vom Kultusministerium bewusst zu hoch angesetzt,
um den dringenden Bedarf an Mittel- und Förderschulen zu decken.“
Petra Falter, seit 30 Jahren Lehrerin und seit 2017 auch Rektorin an den Grundschulen Donaustauf und Altenthann ist empört: „Es kann nicht sein, dass wir Grundschullehrer, die wir jetzt schon an der Belastungsgrenze arbeiten, noch mehr arbeiten sollen. Und dann müssen wir auch noch damit rechnen, fachfremd in Mittelschulen einzuspringen und dort die seit langem bekannten Personalengpässe zu stopfen.“ Dass die 55jährige nun ein Gerichtsverfahren gegen das Arbeitszeitkonto einreicht, „ist einerseits eine persönlich motivierte Entscheidung, andererseits möchte ich damit auch ein sichtbares Zeichen setzen, dass wir das nicht mitmachen.“
„Ein verpflichtendes Arbeitszeitkonto darf nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eingeführt werden. Dies wäre bei einem vorübergehenden Personalmangel der Fall“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Michael Bihler, der die Antragstellerin vor Gericht vertritt. „Dieser ist im Bereich der betroffenen Grundschulen nicht gegeben. Die Lehrkräfte an Grundschulen sollen ausbaden, was die Ministerialbürokratie bei den Mittelschulen versäumt hat.“
„Das Kultusministerium schafft es seit Jahren nicht, das grundlegende Problem anzugehen und Anreize für den Unterricht an Mittelschulen zu schaffen. Dort gibt es tatsächlich zu wenige Lehrkräfte und zwar nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft. Dies zu ändern wird nur mit einer konsequenten und nachhaltigen Personalpolitik und besseren Arbeitsbedingungen für Lehrer gelingen“, unterstreicht BLLV-Präsidentin Fleischmann.
Anhebung der Besoldung und flexible Lehrerbildung
Der BLLV fordert die Gleichstellung der Lehrerberufe und die damit verbundene Anhebung der Besoldung von Grund- und Mittelschullehrkräften auf A13, wie sie die Lehrkräfte an Realschulen und Gymnasien erhalten. Außerdem setzt er sich für ein flexibles Lehrerbildungsmodell ein, das neben einer höheren Ausbildungsqualität ermöglicht, Lehrkräfte flexibler an den verschiedenen Schularten einzusetzen. „Wir müssen uns auf den Weg machen und auch die Lehrerbildung neu denken. Das bedarf aber einer längerfristigen Planung. Verzweifelte und rechtlich fragliche Flickschusterei ist keine Lösung. Das Kultusministerium muss endlich Rahmenbedingungen schaffen, damit sich auch in Zukunft junge Menschen für den Lehrerberuf an Mittelschulen entscheiden. Sonst werden wir schwerlich unseren Bildungsauftrag erfüllen können“, so Simone Fleischmann.
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Update (21.01.2021): Kultusministerium hält an Lehrerbedarf fest
Gegenüber BR24 reagierte das Kultusministerium auf der Gerichtsverfahren mit einer Stellungnahme: "Unsere seit vielen Jahren bewährte Lehrerbedarfsprognose hat einen entsprechenden Bedarf ausgewiesen." Das Ministerium stellte zudem klar, dass der Einsatz von Grundschullehrkräften an Mittel- und Förderschulen seit 1995 im Bayerischen Lehrerbildungsgesetz vorgesehen und gängige Praxis sei. Der Einsatz von Grundschullehrkräften an Förderschulen liefe darüber hinaus nicht über das Arbeitszeitkonto der Notmaßnahmen.
BR24 zitiert zudem aus dem Statement des Kultusministeriums: "Jeder Bürgerin und jedem Bürger steht der Rechtsweg offen. Die Klage liegt dem Kultusministerium noch nicht vor. Die Einführung des Arbeitszeitkontos wurde sehr sorgfältig geprüft."