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NLLV-Akademie

Auf den Spuren des NLLV - Hotel Deutscher Hof

Manfred Schreiner, Ehrenvorsitzender und Buchautor zur NLLV-Geschichte, begab sich erneut mit zahlreichen Teilnehmern der Akademie-Veranstaltung auf Erkundung in das historische Gebäude am Frauentorgraben.

Bei einem Rundgang durch das Haus mit wieder kompetenter Führung durch Herrn Bernd Kirschenheuter, dem Vertreter des heutigen Nutzers, der Berufsgenossenschaft ETEM, wurde die ruhmreiche und zum Teil tragische Geschichte dieses Hauses mit Augenzeugenberichten noch einmal lebendig.

Politischer und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Lehrerschaft in Nürnberg

1890 gründete Andras Därr den Verein Lehrerheim e. V., VLH, der den Auftrag hatte, ein Clubhaus für die Lehrer zu bauen und zu finanzieren. Der Lehrerverein litt unter der Raumnot und musste seine Versammlungen in Neben- und Hinterzimmern von Gasthäusern abhalten, hatte kein eigenes Büro, keinen festen Platz für seine Bücherei und war immer auf die Gnade der Wirte angewiesen, wenn er Räume brauchte.

Mit harter Arbeit des VLH und kreativem wirtschaftlichem Wagemut konnte so viel Geld erwirtschaftet werden, dass 1912 die Finanzierung für ein Lehrerhaus gesichert war. Grundidee war: Aus den Überschüssen eines Wirtschaftsbetriebs wird der Vereinszweck, Unterhalt und Betrieb eines Vereinshauses finanziert.

So entstand der „Deutsche Hof“ in seiner Doppelfunktion als Hotel der gehobenen Klasse und Clubhaus, genannt Lehrerheim. Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein lokaler Lehrerverein ein eigenes Haus besitzt, vergleichbare Häuser in Leipzig und Hamburg existieren nicht mehr. Die Nürnberger Einrichtung, bis 1993 „Deutscher Hof“, dann die Fortsetzung im Lehrerhaus Weidenkellerstraße, überlebte dank Solidarität der Lehrerschaft zwei Geldentwertungen und zwei Weltkriege.

Stürmische Versammlungen, prominente Gäste und nicht zuletzt die legendären Bälle und Festveranstaltungen prägten diesen Ort.

Heute kaum mehr vorstellbar. Von 1951 bis in die neunziger Jahre fester Bestandteil der Faschingssaison: Rosenmontag Ball der Städtischen Bühnen im Lehrerhotel Deutscher Hof, Faschingssonntag Lehrerball in allen Räumen des Hotels in den von den städtischen Bühnen herrlich dekorierten Räumen. Der Lehrerball, ein gesellschaftliches Ereignis über Jahrzehnte hinweg. Sieben Tanzkapellen vom Keller bis zum Dach unterhielten über 1500 Besucher, knapp 1000 auf reservierten Tischplätzen, über 500 Laufkarten für die tanzfreudige Jugend mit Befreiung vom Verzehrzwang.

Ohne Faschingskostüm kam keiner rein, auch nicht die ansonsten wohl behüteten höheren Töchter Nürnbergs deren Eltern diesen Ball sehr schätzten, war er doch die Chance für eine bürgerliche Partie. Dieser Heiratsmarkt war oft erfolgreich. Spätere Oberbürgermeister, Abgeordnete, Staatsminister fanden dort die Frau ihres Lebens. Getanzt wurde bis in die frühen Morgenstunden. Vor drei Uhr morgens verließ keiner die Vergnügungsstätte.

Eine Ära geht zu Ende – Wiedergeburt des Deutschen Hofs

Nachdem der Verein Lehrerheim den Deutschen Hof 1990 wegen zu hoher Kosten für die Instandhaltung hatte verkaufen müssen, gab der Käufer, die Maritim Hotelgesellschaft, das Haus 2004 endgültig auf. Erst 2012 begann ein neuer Eigentümer nach umfangreichen Voruntersuchungen mit der Sanierung. Im Frühjahr 2016 waren die Bauarbeiten abgeschlossen und die Berufsgenossenschaft ETEM bezog den Deutschen Hof als neue Nutzerin. Ein bedeutendes Zeugnis Nürnberger und deutscher Geschichte konnte für die Nachwelt bewahrt werden.

Seit 1992 ist das Lehrerheim im Deutschen Hof abgelöst durch das Lehrerhaus Weidenkellerstraße 6, ganz in unmittelbarer Nähe.

Neugierig geworden? Noch mehr zur Geschichte des Deutschen Hofs und des Vereins Lehrerheim finden Sie im Buch 200 Jahre NLLV von Manfred Schreiner.

Hartmut Rieck