Sehr geehrte Frau Staatsministerin Stolz,
wir möchten uns zunächst herzlich für das im April 2025 mit dem NLLV geführte Gespräch zu dieser Thematik sowie für die anschließenden Runden Tische bedanken. Besonders danken wir Ihnen und Ihrem Haus für das sichtbare Engagement und die kontinuierliche Beschäftigung mit der schulischen Versorgung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Geistige Entwicklung.
Die spürbare Bereitschaft des Ministeriums, diese komplexe und zunehmend drängende Herausforderung im Dialog mit den schulischen Fachgruppen und Trägern anzugehen, wird von uns ausdrücklich gewürdigt.
Gleichzeitig möchten wir – vor dem Hintergrund der weiterhin äußerst angespannten Situation in Nürnberg – auf die dringende Notwendigkeit weiterer konkreter Schritte hinweisen. Ziel dieses Positionspapiers ist es, die aktuelle Lage zu verdeutlichen und Maßnahmen zur kurz-, mittel- und langfristigen Entlastung aufzuzeigen.
1. Ausgangslage
Die schulische Versorgungssituation in Nürnberg ist im Bereich des sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zunehmend angespannt. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit entsprechendem Förderbedarf deutlich zugenommen, ohne dass das Angebot an geeigneten Beschulungsplätzen in ausreichendem Maße erweitert wurde.
2. Besondere Situation in Nürnberg
In der Stadt Nürnberg konzentriert sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Geistige Entwicklung in besonderem Maße.
Die bestehenden staatlichen und privaten Förderzentren können den tatsächlichen Bedarf nicht mehr decken. Aufgrund baulicher Gegebenheiten sowie Personalmangels sind die Aufnahmekapazitäten der Einrichtungen stark begrenzt.
Sonderpädagogische Förderzentren müssen zunehmend mehr Formen sonderpädagogischen Förderbedarfs abdecken – insbesondere bei komplexen Beeinträchtigungen wie Verhaltensauffälligkeiten, Autismus-Spektrum-Störungen oder Mehrfachbehinderungen.
3. Überlastung der bestehenden Förderschulen
Die bestehenden Förderzentren und Sonderpädagogischen Förderzentren in Nürnberg unterrichten vielfach in Klassengrößen, die eine individuelle Förderung kaum mehr zulassen. Pädagogische, heilpädagogische und therapeutische Fachkräfte sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit.
Diese Überlastung gefährdet die pädagogische Qualität, die gesundheitliche Stabilität der Kollegien und letztlich den Fördererfolg der Schülerinnen und Schüler.
4. Strukturelle Versorgungslücken
Das vorhandene Angebot an Förderplätzen im Bereich Geistige Entwicklung ist unzureichend. Besonders Kinder und Jugendliche mit mehrfachen oder kombinierten Förderbedarfen (z. B. Verhalten und Autismus-Spektrum-Störung) finden kaum geeignete schulische Angebote.
5. Maßnahmen zur Erweiterung der Förderkapazitäten in Nürnberg
Kurzfristige Maßnahmen:
• Temporäre Erweiterung bestehender Schulen durch Interimsbauten (z. B. modulare Containeranlagen), sofern auf den Schulgeländen entsprechende Flächen verfügbar sind.
• Einrichtung zusätzlicher Partnerklassen, insbesondere an Grundschulen.
Mittelfristige Maßnahmen:
• Erprobung von Campus-Lösungen: Klassen eines Förderzentrums werden in unmittelbarer Nähe zu einer Regelschule untergebracht, um Kooperation und Inklusion zu fördern.
• Prüfung möglicher Standorte mit Raumkapazitäten oder leerstehenden Schulgebäuden.
Langfristige Maßnahme:
• Errichtung eines neuen staatlichen Förderzentrums mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Nürnberg, gegebenenfalls auch in anderer Trägerschaft, sofern dies die Umsetzung beschleunigen würde.
Seit über 30 Jahren ist die Zahl der Förderzentren in Bayern unverändert geblieben, obwohl die Schülerzahlen in diesem Bereich kontinuierlich steigen. Ein zusätzlicher Schulstandort ist notwendig, um die Versorgung zu sichern, pädagogische Qualität zu gewährleisten und eine wohnortnahe Beschulung zu ermöglichen.
6. Begründung der Forderung
Aus all diesen Gründen ist der Aufbau eines weiteren Schulangebots mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Nürnberg unabdingbar:
• Damit Kinder adäquat am richtigen Förderort beschult werden können.
• Um diese Kinder vor Überforderung, Schwächung des Selbstwertgefühls, Verhaltensauffälligkeiten zu bewahren.
• Um Schulbegleiter gezielter und effizienter einsetzen zu können.
• Weil durch eine förderspezifische Beschulung die Kosten für Schulbegleiter deutlich reduziert werden könnten.
• Um die angespannte Lage in den bestehenden Förderzentren zu lindern.
• Um Lehrkräfte zu entlasten und den pädagogischen Auftrag nachhaltig abzusichern.
• Für Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe aller Kinder.
Kinder, mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, die bis zum Ende der Schulzeit in den Sonderpädagogischen Förderzentren (SFZ) beschult werden, haben oftmals Schwierigkeiten, in die Berufsschulstufen der Förderzentren Geistige Entwicklung (FZ gE) zu wechseln. Aufgrund von Platzmangel werden bevorzugt die eigenen Schüler dieser Schulen aufgenommen.
7. Fazit und Forderung
Die Stadt Nürnberg benötigt dringend ein zusätzliches Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, das den besonderen pädagogischen, therapeutischen und organisatorischen Anforderungen dieser Schülergruppe gerecht wird.
Das neue Förderzentrum sollte:
• in staatlicher Trägerschaft geführt werden,
• eine Beschulung von der Grundschule bis zum Ende der Berufsschulstufe ermöglichen,
• kleine, differenzierte Klassengrößen sowie ein multiprofessionelles Team aufweisen,
• als Teil einer inklusiven Campuslösung in die Nürnberger Bildungslandschaft integriert sein,
• und als Ganztagesangebot konzipiert werden.
Nur durch die Schaffung eines solchen Schulstandorts kann die Stadt Nürnberg der wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern mit hohem Unterstützungsbedarf gerecht werden, die Überlastung bestehender Einrichtungen reduzieren und die Grundsätze von Inklusion, Teilhabe und Chancengerechtigkeit nachhaltig verwirklichen.
Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, diesen Kindern und Jugendlichen eine angemessene schulische Bildung und Teilhabe zu ermöglichen – denn ohne entsprechende Förderung drohen ihnen erhebliche Entwicklungsnachteile.
Unterzeichnende
gez. Sandra Schäfer
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1. Vorsitzende des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenvereins
Für die Fachgruppe Förderschulen im NLLV: Kornelia Mangold
gez. Markus Ehrlinger
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1. Vorsitzender BLLV Mittelfranken
Für die Fachgruppe Förderschulen im BLLV Mittelfranken: Steffen Laich
gez. Thomas Beschorner
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Leiter BLLV Landesfachgruppe Förderschulen:
Nürnberg, den 29.10.2025
