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NLLV-(Un)-Ruheständler

Ein Stadtteil mit Toren und Burg

Mit Beginn dieses Schuljahres konnten die NLLV-„Un“-Ruheständlerinnen (Männer inbegriffen) endlich wieder ihre monatlichen Exkursionen aufnehmen. Am letzten Sommertag kam im wiederholten Anlauf endlich die Begehung der Nürnberger Rangierbahnhofsiedlung...

 zustande, bei der sich 23 Interessierte von einem der eigentlich immer erlebenswerten Mitarbeiter von „Geschichte für alle“ Bedeutung, Geschichte, Anlage und Bauten der einst für Eisenbahnmitarbeiter errichteten Siedlung erklären ließen.

Wahrscheinlich kennen viele Nürnberger das Stadtviertel nur dem Namen nach, das etwa ab dem Jahr 1900 Stück für Stück entstand. Dabei wurden Prinzipien der erschwinglichen Wohnraumversorgung mittels einer Baugenossenschaft mit der Idee einer Gartenstadt verknüpft, wo zu jeder Wohnung ein Nutzgarten gehörte. Die Wohnungen waren vom Komfort her bei ihrem Bau immer auf der Höhe der Zeit; außerdem war vorbildlich an die notwendige Infrastruktur mit Bade- und Waschhäusern, Einkaufsmöglichkeiten, einer Arztpraxis, Schule, einem Saalbau, und – für ein „rotes Viertel“ ungewöhnlich – zwei Kirchen gedacht. Eindrucksvoll, wie von Beginn an darauf geachtet wurde, die Siedlung so zu gestalten, dass der Eindruck einer „gewachsenen“ Stadt mit gegliederten Fassaden und Dächern entstand. Dazu gehörten auch ein angedeutetes und ein echtes Tor an den Hauptzufahrten und ein großes Gebäude (jede der 30 Wohnungen mit eigenem Eingang!), das, auf einer Anhöhe gelegen, durchaus an eine mittelalterliche Burg erinnert.

Der gute ästhetische Eindruck der Siedlung wird am „Preußenplatz“ jäh getrübt, wo die Häuser stehen, die die Nazis nach Übernahme der Genossenschaft phantasielos erstellt hatten. Heute werden nicht mehr viele Wohnungen von Eisenbahnern bewohnt und die Häuser haben ganz unterschiedliche Eigentümer – Unterschiede sind auch dabei oft leicht zu erkennen: Gut renoviert in der Regel diejenigen, die noch immer in Genossenschaftsbesitz sind, renovierungsbedürftig oft diejenigen, die z.B. der „Vonovia“ gehören.

Nach zwei Stunden endete der informative Spaziergang im Nachkriegs-„Planetenviertel“, wo beim Bau damals andere ästhetische Maßstäbe zum Tragen gekommen waren.

Erich Hübel

Ergänzend fällt mir noch ein, dass die Bewohner diesen Stadtteil  als „Kolonie“ bezeichneten und Soziologen die damalige Gesellschaft im „Bauernfeindviertel“ mit dem Slogan „sonntags Kommunion, montags Ortsverein“ charakterisierten.

Manfred Schreiner